Werkraumhaus Andelsbuch (c) Peter Rigaud

Eine Hommage an das Handwerk

Werkraum Bregenzerwald

Das offene Werkraumhaus mit der gläsernen Fassade – gebaut von Architekt Peter Zumthor und lokalen Handwerkern

TEXT: JULIA GROSSE


Mindestens einmal in der Stunde hört man auf der Hauptstraße von Andelsbuch ein leichtes Quietschen. Autos, in der Regel ortsfremd, bremsen abrupt ab, nicht etwa wegen der Blitzanlage, sondern wegen der Architektur! Mitten am Platz steht dort seit 2013 ein minimalistischer Glasbau mit ausladendem, dunklem Holzdach, entworfen vom renommierten Schweizer Architekten Peter Zumthor und errichtet von Handwerkern aus der Region. Das Werkraumhaus wirkt mit seiner gläsernen Fassade, durch die die Landschaft regelrecht zu fließen scheint, so ungewöhnlich und einladend, dass Reisende spontan anhalten und sich an einen der Holztische setzen, die gemütlich im Innenraum und an warmen Tagen unter dem Schatten spendenden, ausladenden Dach stehen.

Nirgendwo in Europa gibt es eine so hohe Dichte an Handwerksbetrieben wie im Bregenzerwald, mit über Generationen vermitteltem Wissen und Können einer ganzen Region. Das Werkraumhaus ist ein offener Ort für dieses Können, eine Verneigung vor dem regionalen Handwerk, aber auch vor der Innovation, dem Wagemut und dem präzisen Blick für neue Formen.

Für Peter Zumthor ist das Werkraumhaus ein gemeinsames Projekt zwischen ihm und den Handwerkern. Für seine Vorstellungen braucht er gute Handwerker, deshalb ist ihm diese Zusammenarbeit wichtig.

Thomas Geisler, bis Mai 2019 Geschäftsführer des Werkraum Bregenzerwald
Mittag im Werkraumhaus © Angela Lamprecht / Vorarlberg Tourismus
Werkraumschau Gastgeben (c)Roswitha Schneider

Handwerker aus der Region zeigen im Werkraumhaus ihre Arbeiten

Ein interessierter Laie würde sicherlich gern einmal sehen, wie ein filigraner Stuhl eigentlich hergestellt wird, doch kann er nicht einfach in eine Tischlerei hineinspazieren. „Man kann uns also als Schauraum und Bindeglied zu den vielen regionalen Betrieben verstehen, indem wir ihre Arbeiten bei uns präsentieren.“ So widmete sich die Werkraumschau kürzlich den rund 90 Mitgliedsbetrieben – Tischler, Polsterer, Schuhmacher, Schneider, Goldschmiede, Blumenbinder und Filzer –, die auf der gesamten Fläche ihre Objekte zeigten: Wie an einem perfekten Ort aus Qualität und gutem Stil verbrachten Besucher hier ganze Nachmittage, betrachteten Kinderschaukeln aus leuchtendem Filz, strichen über Tische aus Ahorn oder zogen perfekt getischlerte Schubladen heraus.

Dem neugierigen Staunen der vielen Besucher begegnet das reduziert wirkende Werkraumhaus mit seiner Glasfassade und den Sichtbetonwänden mit Gastfreundlichkeit: Drinnen serviert die Wirtschaft den Besuchern ein Mittagsmenü, Getränke, Kaffee und selbst gemachten Kuchen. Und soll der Raum für kleinere Veranstaltungen etwas intimer wirken, zieht das Team einfach an den schweren, weichen Lodenvorhängen, die von der dunklen Holzdecke hängen.

Werkraumschau Gastgeben (c)Roswitha Schneider
Werkraum Stuehle (c) Peter Rigaud
Werkraum Ausstellung (c) Peter Rigaud

Transparente Plattform: Das Werkraumhaus vereint innovatives Handwerk mit einem perfekten Blick in die Landschaft

Im Wagemut und dem Ansporn, sich den kühnsten Details zu widmen, liegt die Kunst und Perfektion

Die rund 90 Werkraum- Mitgliederbetriebe zeigen auf 700 Quadratmetern ihre Produkte, von feinen Möbeln bis zu innovativen Lösungsvorschlägen des Bauhandwerks

Andelsbuch empfängt Gäste mit einer Idylle aus Wiesen und Holzhäusern

Dabei ist das Werkraumhaus nicht das einzige minimalistische Bauwerk im Ort. Zwar empfängt einen Andelsbuch in architektonisch-uriger Idylle aus Bergwiesen und verzierten Holzbalkonen mit leuchtenden Geranien. Doch die Beschaulichkeit trügt: Gegenüber dem Werkraumhaus steht der zweigeschossige Holzkubus des Andelsbucher Gemeindehauses, elegant gealtert wie ein Hollywoodstar mit guten Genen: Das Holz hat in aller Seelenruhe den typischen, graubräunlichen Ton angenommen – für Kenner ist das der schönste Farbzustand. Ein paar Meter entfernt steht das ebenfalls aus Holz gebaute, neue Quartier der Wälder Versicherung. Und mittendrin sitzt das Werkraumhaus. Ein bisschen so, als sei es im Grunde immer schon da gewesen. Ein einladender, bescheidener Ruhepol, dessentwegen auch in Zukunft noch so einige Vorbeifahrende ihr Tempo drosseln werden.

Das Holz hat in aller Seelenruhe den typischen, graubräunlichen Ton angenommen – für Kenner ist das der schönste Farbzustand.