Rund zwei Drittel aller Deutschen legen grundsätzlich Wert auf nachhaltige Urlaubsangebote (Deutsche Reiseanalyse 2022). Eine aktuelle Analyse der Österreich Werbung* zeigt, dass fast ein Viertel der Befragten deutlich mehr Geld für ein nachhaltiges Übernachtungsangebot bezahlen würde. Wir haben uns angeschaut, was das Urlaubsland Vorarlberg solchen Gästen bietet und wie breit Nachhaltigkeit hierzulande aufgefasst wird.

Interessant ist die Einschätzung der Befragten, dass nachhaltige Hotels in den nächsten 3 Jahren an Bedeutung gewinnen und dadurch ihr Ansehen erhöhen werden. Zudem halten die deutschen Gäste familiengeführte Hotels für glaubwürdiger als Hotelketten. „Diese Einstellung passt gut zu Vorarlberg. Nachhaltigkeit ist eine der Säulen unserer Tourismusstrategie 2030. Zahlreiche Betriebe leben diese schon längst und auch sehr überzeugend“, weiß Christian Schützinger, Geschäftsführer von Vorarlberg Tourismus.

Nahezu Energieautark

Zum Beispiel das Halwina Hideaway in Sibratsgfäll. Das Ferienhaus realisierten Edith Seppele und ihr Ehemann gemeinsam mit dem Bregenzerwälder Architekten Jürgen Haller an dem Ort, wo 300 Jahre lang ihre Vorfahren einen Bauernhof betrieben haben. Der veraltete Hof wurde schließlich durch ein modernes Wälderhaus aus regionalem, unbehandeltem Holz ersetzt. Die Innenausstattung zimmerten Handwerker:innen aus dem Bregenzerwald. Eine Photovoltaik-Anlage mit Akku versorgt das Halwina mit Sonnenenergie. Damit ist es nahezu energieautark. Die E-Ladestation können Urlauber:innen kostenlos nutzen. Die Anreise ist aber auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln möglich. „Dass wir keine Wegwerfprodukte verwenden und Handtücher nur nach Bedarf wechseln, versteht sich von selbst“, sagt Edith Seppele.

Regionale Produkte

Auch Re-Use gehört zum Nachhaltigkeitskonzept: Aus der Aussteuer ihrer Oma – Tisch- und Bettwäsche, die Frauen früher zur Hochzeit von der Familie bekommen haben – nähte Edith Seppele Vorhänge. Einige schöne Möbel sind erhalten geblieben. „Optisch spiegelt das Haus nun wider, wie es zur Zeit meiner Großeltern ausgeschaut hat. ‚Halwina‘ ist zudem eine Kombination ihrer Namen Alwin und Anna“, erklärt die Gastgeberin. Für die Selbstversorger:innen gibt es im Haus einen kleinen Laden mit regionalen Produkten, der gut ankommt. Um Urlauber:innen zum längeren Bleiben zu animieren, bietet Edith Seppele ab 6 Übernachtungen eine Kässpätzle-Partie im Halwina an. „Wir bieten Ruhe und Naturerlebnis. Die Menschen sollen sich bei uns erholen und die Zeit vergessen. Ein Wochenende ist dafür zu kurz“, ist sie überzeugt.

Temporär beleben statt abreißen

Ein außergewöhnliches Nachhaltigkeitskonzept verfolgt das Honolulu Hotel in Bregenz. Das frühere Hotel Helvetia wird genutzt, bis die Neugestaltung des Quartiers in Bahnhofsnähe beginnt. Sinnvolle temporäre Belebung statt Abriss, lautet die Devise von Roland Lang und Rahel Schoenthal. Seit einem Jahr betreiben die beiden Initiatoren einen Ort zum Wohnen, Arbeiten und für Events. Das Honolulu verfügt über Hotelzimmer, Büros bzw. Ateliers und einen lauschigen Biergarten. „Bis auf die Getränke ist bei uns alles recycelbar“, sagt Roland Lang. Oder ist schon recycelt: Das Interieur im 70-Jahre-Charme erhielt – wo notwendig – einen Neuanstrich, die Inneneinrichtung kommt vom Gebrauchtwarenladen im selben Haus.

Re-use auf höchstem Niveau

„Das Haus soll ein Ort der Begegnung zwischen Einheimischen und Gästen sein“, so Lang. Der Garten spielt eine zentrale Rolle. Demnächst gibt es einen Gartenmarkt mit Kleidung der lokalen Händlerin „Katharina Vintage“. „Wir leben den Re-Use-Gedanken auf höchstem Niveau und setzen auf Kooperationen mit lokalen Partner:innen“, betont Roland Lang. Im Juni bietet das Honolulu den „Local Heroes“, regionalen Produzent:innen, eine Bühne: der Destillerie Brunner aus Lustenau, der Mosterei „Most for da People“ aus Feldkirch, dem Käsehersteller Alma und „unserem Partner der ersten Stunde, der Brauerei Egger aus dem Bregenzerwald“, sagt Lang. Lesungen finden gemeinsam mit der Stadtbibliothek statt, Konzerte mit hiesigen Musiker:innen, die Kulinarik stammt von einem Kolumbianer mit Vorarlbergbezug, der 6 Jahre lang mit Starkoch Yotam Ottolenghi am Herd gestanden ist. Das Konzept kommt an: „Wir bekommen wahnsinnig gutes Feedback und sind fast ständig ausgebucht“, sagt Roland Lang. Ein Büro sei aber gerade zu haben. „Bis vor kurzem waren junge Leute mit ihrem IT-Start-up eingemietet, die inzwischen Millionäre sind und etwas Größeres brauchten“, ergänzt er schmunzelnd.

Regionales Zukunftslabor

Die Entwicklung einer ganzen Region hat das PIZ Montafon, ein Projekt von Montafon Tourismus, im Fokus: Seit langem im Leitbild verankert, wurde mitten in der Pandemie dieses Zukunftslabor für nachhaltigen Tourismus gegründet. Bewusstseinsbildung steht hier an erster Stelle: Das Angebot umfasst Impulsgespräche in kleinen Runden, Workshops, Exkursionen, Nachhaltigkeitschecks für Gastgeber:innen und Vorträge, die bereits bis zu 150 Personen angezogen haben. „Wichtig ist uns, das Thema ganzheitlich zu betrachten, also ökologisch, sozial und wirtschaftlich“, betont Jessica Ganahl vom PIZ Montafon.

Animierende Vorbilder

In einem weiteren Schritt will das PIZ-Team Prototypen für nachhaltige Betriebe unterstützen und sie zur Zertifizierung begleiten. Deren Vorbildwirkung soll auch andere dazu animieren, um schließlich das große Ziel zu erreichen: das Montafon zur Modellregion für nachhaltigen Tourismus zu machen. „Wir arbeiten eng mit Stakeholdern und Partnern zusammen wie Stand Montafon, den Gemeinden, Seilbahnbetrieben oder Montafon Tourismus“, schildert Jessica Ganahl. „Die Initiative kommt gut an – besonders bei den Gästen, sobald sie davon erfahren.“

* Quelle: Conjoint Studie: Nachhaltigkeitsaspekte bei der Hotelauswahl, Österreich Werbung