C Johanna Bilgeri © Nina Bröll
Die Sprache, die wir alle verstehen
Im Gespräch mit Fagottistin Johanna Bilgeri
C Johanna Bilgeri © Nina Bröll
Im Gespräch mit Fagottistin Johanna Bilgeri
TEXT: MIRJAM STEINBOCK
An einem sonnigen Frühlingstag treffen wir Johanna Bilgeri zu einem Spaziergang in ihrem Heimatort Hittisau im Bregenzerwald. Wir streifen durch das gelb blühende Tal und die Musikerin strahlt, während sie von ihrem künstlerischen Werdegang erzählt. Mit sechs Jahren begann sie, Fagott zu spielen, studierte bei namhaften Professoren am Vorarlberger Landeskonservatorium und an der Universität für Musik und Darstellende Kunst Wien, an der sie später den „great talent award“ erhielt. Sie ist solistisch und kammermusikalisch mehrfache Preisträgerin nationaler und internationaler Wettbewerbe und erklimmt die Karriereleiter scheinbar mühelos.
Seit Januar dieses Jahres hat die 24-Jährige einen prominenten Arbeitgeber: Die Wiener Symphoniker gaben ihr einen festen Platz im Orchester. Das ist an sich schon eine große Sache, besonders erwähnenswert ist dabei, dass sie als Solofagottistin weltweit die großen Konzertbühnen betritt. Wir hatten Glück, Johanna Bilgeri fand Zeit für ein Interview, da ihr Fagott zu dem Zeitpunkt in der Werkstatt überholt wurde. Sie legte uns das große und sehr kostbare Instrument dennoch erzählend ans Herz und gab uns neben wertvollen Hinweisen zur Region auch einen berührenden Einblick in ihr Leben als Musikerin und Vermittlerin einer klangvollen Zukunft.
Dein Leben als professionelle Musikerin ist … „immer spannend!“
Deine Kunst nährt sich von … „Leidenschaft.“
Musikmachen ist eine runde Sache, wenn … „ich mit Menschen spiele, mit denen ich mich besonders wohlfühle.“
Es löst ein wohliges Gefühl aus, wenn … „alles stimmig ist.“
Dieser Ort in Vorarlberg gibt dir besonders viel Kraft: „Mein Heimatort Hittisau.“
Vorarlberg als Person hätte diesen Charakter: „Offen, warmherzig und bodenständig.“
Dein kulinarischer Geheimtipp in Vorarlberg ist … „das Ernele in Hittisau. Dort einen Abend hingehen, genießen, essen, nichts anderes, ein bisschen Wein, einfach schön.
Zu Fuß gehst du am liebsten … „auf den Hittisberg und den Hochhäderich.“
An diesem Ort in Vorarlberg klingt es besonders gut: „Schwarzenberg ist toll. Ich spiele auch gerne in Hittisau, weil ich Leute treffe, die ich kenne. Man kommt in den Austausch, das ist besonders schön.“
Damit fühlst du dich sofort zuhause: „Familie.“
Zu Gast in Vorarlberg. Was sollte man unbedingt mitnehmen? „Käse!“
Und was dürfen Gäste zu uns mitbringen? „Die Offenheit, über Themen zu reden, die in Dörfern noch nicht so angekommen sind. Da ist es gut, wenn Menschen von außen kommen.“
Johanna, dein Instrument ist elementar für Deinen Beruf. Wie ist denn dein Verhältnis zum Fagott, ist es eine Art Partner?
Das ist meine Partnerin in Crime (lacht).
Es ist also eine Sie …
Eigentlich habe ich noch nie drüber nachgedacht, aber es ist schon lustig, vor kurzem in Triest bei einem Konzert mit den Symphonikern hielt ich mein Fagott und dachte, wie viele Stunden verbringt man mit so einem Stück Holz? Ganz rational gesehen ist es nur ein Gegenstand, einfach Ahorn mit ein paar Klappen, und dabei kommt so etwas Wundervolles heraus.
Was ist das für ein Instrument, ist es dein eigenes?
Genau, es ist meins und ich hatte sehr großes Glück, beim Fagott ist das etwas komplizierter. Die Instrumente sind momentan sehr gefragt und die Wartezeiten betragen 19 Jahre. Das ist wirklich ein Wahnsinn, auch kostenmäßig. Aber ein ehemaliger, seit langem pensionierter Symphoniker hat mir sein Instrument verkauft. Natürlich mit einem gewissen Herzschmerz, weil er so lange damit verbunden war. Wir haben dadurch jetzt auch eine ganz starke Bindung.
Hört sich familiär an.
Ja, sehr. Wir sind immer im Austausch über E-Mails, er schickt mir Fotos von seinen Reisen, gestern war ich bei ihm zum Brunch, ein herziger Mensch.
Stichwort Herz, auf deiner Website steht: „Schön, dass du da bist“. Das spricht mich als Leserin direkt an. Spielst Du in der Musik auch mit verschiedener Wahrnehmung, die in etwas Neues führen kann?
Das mit dem Neuen ist mir wichtig. Ich habe dieses V.Töne-Holzbläserquintett, da spüren wir auch Lust, in Richtung neue Formate und Musikvermittlung zu arbeiten und nicht nur Standardformate zu machen. Ich hatte aber auch Glück, als ich meine Homepage gemacht habe mit der Ines, die vorher noch nie im Bereich Musik gearbeitet hat. Der Begrüßungssatz war ihr Vorschlag und ich dachte, das ist so einfach, aber so gut. Jedes Mal, wenn ich die Website anschaue, bin ich happy.
Auch die Texte zergehen quasi auf der Zunge. Verfasst du sie selbst?
Ja, die habe ich geschrieben. Man muss das auch in dem Business, z.B. Biografien immer wieder neu schreiben und das mache ich lieber selbst. Dann kann ich mir aussuchen, was dort stehen soll.
Wie steht es denn um Feedback? Ist es hilfreich, wenn dir das Publikum eins gibt?
Ich war letztes Jahr mit den Wiener Philharmonikern in Köln, mein letztes Konzert als Akademistin und wir haben Mahlers 6. Sinfonie gespielt. Meine Tante lebt in Köln, hat zugehört und berichtete mir dann, was sie für eine Geschichte gesehen hat. Das war voller Energie und Emotion und ich finde faszinierend, dass eine Person ohne musikalische Ausbildung so einen Zugang hat. Ich dachte mir, ich möchte es mir wieder mehr aneignen, dass ich mir ein Konzert ohne Erwartung anhöre. Was schwierig ist, wenn man die meisten Stücke schon kennt. Dann hört man sich eine Symphonie zum wiederholten Mal an und es kommt dieses eine Fagott-Solo und ich weiß genau, wie ich es hören möchte. Umso spannender, wenn Menschen mir einen anderen Zugang schenken.
Es gibt Resonanzräume, die im Konzertsaal wie Magie wirken. Gibt es etwas, dass so ein Entstehen begünstigt oder ist das ein Überraschungsmoment?
In gewisser Weise ist es schon überraschend, aber es beginnt ja schon in der Probenarbeit. Wenn es ein Stück ist, das besonders vielen am Herzen liegt, oder wenn die Chemie zwischen dem Dirigenten oder der Dirigentin und dem Orchester stimmt. Man geht natürlich nicht ins Konzert und denkt sich, heute wird es magisch; das passiert einfach und das ist das Schöne daran.
Was würdest Du Gästen als musikalisches Erlebnis für diese Region empfehlen?
Das ist natürlich Geschmacksfrage, aber man kann auf eine Musikveranstaltung gehen, bei der man die Spielfreude untereinander sieht. Familie Bär macht tolle Sachen oder Jodok Lingg. Man kann auch ein Konzert des Symphonieorchesters Vorarlberg besuchen, das inzwischen auch viel zeitgenössische Musik spielt und viele Frauen als Solistinnen hat, das finde ich auch cool. Die Angebote sind auf jeden Fall da.
Apropos Geschmacksfrage, ein kulturelles Erlebnis hängt auch viel mit Kulinarik zusammen.
Wir haben mit dem V.Töne Holzbläserquintett mal ein Sinneskonzert gemacht. Die Idee war, dass man die Leute in ein Konzert entführt, in dem alle Sinne gefordert und hervorgerufen werden. Da hat es z.B. Kräuter, Käse und Schokolade gegeben, alles aus der Region. Und wir haben überlegt, wen fragen wir, wo kriegen wir das her? Hier in Hittisau kann man sofort ein Projekt auf die Beine stellen, da ist es kein Thema, dass die Leute am Sonntag da sind und zusammenarbeiten und helfen.
Du bist international unterwegs, das letzte Mail hast du mit „Liebe Grüße aus China“ geschlossen. Wie nimmst du das in anderen Ländern mit dem Zusammengehörigkeitsgefühl wahr?
Die Reisen sind meist sehr unterschiedlich. Manchmal hat man mehr, manchmal weniger Zeit, um sich die Stadt anzuschauen und die Kultur wahrzunehmen. Man geht in den Konzertsaal, spielt dort und reist wieder weiter. Aber es ist wunderschön, dass wir die Musik, den Wiener Klang, an so viele Orte bringen können. Dabei ein begeistertes Publikum zu sehen, gibt einem viel zurück. Obwohl mich das Fliegen bezogen auf Umwelt und Klima schon sehr beschäftigt.
Wie oft bist du denn in Vorarlberg?
Nicht so oft, aber diesen Sommer bin ich ja dadurch, dass ich bei den Wiener Symphonikern spiele, mindestens sechs Wochen da und das finde ich voll schön.
Dieses Jahr feierst Du als Musikerin bei den Bregenzer Festspielen Premiere.
Ja, ich kenne es aber schon von früher, ich spiele ja schon länger im Symphonieorchester Vorarlberg, das war dann immer so: Ah, die Wiener Symphoniker sind wieder da! Und das war etwas, das man bewundert hat. Ich kann mich erinnern, mein Professor ist auch bei den Symphonikern Fagottist, und mit 15 Jahren habe ich ihm einfach mal eine Nachricht geschrieben, weil ich wusste, dass er im Sommer spielt. Ich fragte ihn einfach, ob er mir Unterricht geben könne. Ein paar Jahre später habe ich das Studium bei ihm begonnen und nun sind wir Orchesterkollegen. Im Endeffekt sind das ja auch nur Menschen im Orchester und doch, man himmelt sie schon an.
Was ist für Dich ein Ziel, eine Vision, wo siehst du dich? In welchem Konzertsaal, in welchem Orchester, ganz groß geträumt?
Es gibt schon ein paar Dinge, die ich machen möchte, so ganz große Träume habe ich nicht, ich bin eher so Team „Go with the flow“, aber ich fände es natürlich schön, wenn ich sowohl kammermusikalisch als auch solistisch tätig sein kann. Momentan kommt aber auch immer wieder durch, dass ich das, was ich gelernt habe, auch weitergebe. Keine Ahnung, ob das in die Unterrichtstätigkeit geht oder in Workshops, Meisterkurse, pädagogische Dinge. Ich habe durch meine vorherigen Lehrer so gute Erfahrungen gemacht. Das war so ein gutes Fundament und das möchte ich unbedingt weitergeben.
Warum brauchen wir Kunst und Kultur?
Was würden wir ohne das machen? Das ist einfach nicht vorstellbar. Und Musik ist die Sprache, die wir alle verstehen. Sie verbindet Menschen.
Danke für das schöne Gespräch und alles Gute für Dich und die Musik!
Die Bregenzer Festspiele finden von 16. Juli bis 17. August 2025 statt.
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