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Klimawandel

Wie wird der Winter in den Bergen?

Winter ist, was man aus ihm macht: Der Trend geht weg vom reinen Skiurlaub hin zum abwechslungsreichen Winterurlaub. Vorarlberger Wintersportorte stellen sich darauf ein – und haben damit gleich auch die richtige Antwort auf den Klimawandel

Der Winter 2017/18 zum Beispiel: Würde man den zum Maßstab nehmen, müsste man sich keine großen Gedanken machen. Der erste Schnee bereits im November, im Dezember dann 8,8 Prozent mehr Gäste als im Vorjahresmonat; am Ende wurde der Winter der drittschneereichste seit Beginn der Aufzeichnungen. Die immerhin 160 Jahre zurückreichen. „Wir sollten aber besser nicht davon ausgehen, dass wir solche Winter in Zukunft regelmäßig erleben werden“, sagt Markus Niedermair. „Winter mit so viel Schnee werden nicht die Regel sein. Sondern eher die Ausnahme.“

Niedermair ist bei der Landesregierung in Vorarlbergs Hauptstadt Bregenz für Fragen des Klimawandels verantwortlich. Passenderweise in jener Abteilung, die auch für den Tourismus zuständig ist. Wie alle Alpenregionen, deren Tourismusangebot auch auf den Winter ausgerichtet ist, beschäftigt sich Vorarlberg mit dem, was da kommt.

Und? Kann man vorhersagen, wie es werden wird? Markus Niedermair kann das, zumindest in groben Zügen. Die entsprechenden Studien liegen ihm vor, das Land hat sie selbst in Auftrag gegeben. In Skigebieten, deren Talstationen unterhalb von 1000 Metern Seehöhe liegen, wird es in Zukunft weniger Schnee geben, lautet seine Faustformel. In Gebieten mit Talstationen oberhalb dieser Tausend-Meter-Linie wird Wintersport weiterhin möglich sein.

Im Detail ist es dann doch komplizierter. Durch seine Topographie ist das Land zwischen Kleinwalsertal und Silvretta ein ausgesprochen abwechslungsreiches Stück Alpenwelt. Das ununterbrochene und flächendeckende Auf und Ab der Berge schafft sogenannte Mikroklimata, die völlig unterschiedlich ausfallen können.

Der Wandel ist schon da, nicht nur beim Klima

Also: Der Wandel kommt. Tatsächlich habe er sogar längst eingesetzt, sagt der Klimaexperte. Und der Tourismus stellt sich ebenfalls schon lange darauf ein. Denn nicht nur das Klima ist im Wandel, sondern auch die Wünsche der Gäste. Und das ergänzt sich prima.

„Aus dem reinen Skiurlaub wird immer mehr ein vielfältiger Winterurlaub“, weiß Brigitte Plemel, die bei Vorarlberg Tourismus seit vielen Jahren die Marktentwicklungen beobachtet. Früher hieß es: 7 Uhr aufstehen, um 8.30 Uhr als Erster am Lift sein und dann den ganzen Tag Ski fahren, bis zum Liftschluss. Bei dichtem Schneetreiben zog man sich eben einen Schal vors Gesicht.

Aus dem reinen Skiurlaub wird immer mehr ein vielfältiger Winterurlaub

Brigitte Plemel

Heute wird länger geschlafen, genussvoll gefrühstückt. Bei schönem Wetter fällt die Entscheidung schwer. Auf die Skipiste, auf die Langlaufloipe oder doch mit den Schneeschuhen in die Abgeschiedenheit der Berge? Ist der Himmel grau, geht es nochmal zurück ins Bett. Oder zu einem kleinen Einkaufsbummel ins Dorf. Treffpunkt am Hotelpool, nach dem Mittagessen.

Ablesen lässt sich das auch aus den Gästebefragungen der letzten Jahre. Zwar machen fast zwei Drittel der Befragten laut eigener Einschätzung nach wie vor klassischen Ski- und Snowboardurlaub. Doch immer öfter werden nun „Winterurlaub im Schnee“ und Erholungsurlaub als Motiv genannt. Das spiegelt sich auch bei den sportlichen Urlaubsaktivitäten: Der Anteil der Skifahrer (70 %) und der Snowboarder (28 %) ist konstant hoch. Gleichzeitig haben andere Outdoor-Aktivitäten wie Wandern, Schneeschuhwandern oder Rodeln zugelegt. Und auch der kulturelle und kulinarische Genuss wird für die Gäste immer wichtiger.

„Schneeerlebnisse in den Bergen bleiben das wichtigste Motiv für den Winterurlaub in Vorarlberg, Skifahren bleibt im Winter unser Kernprodukt“, stellt Brigitte Plemel klar. „Aber der Urlaub wird vielfältiger – und das hilft uns auch, mit den Folgen des Klimawandels umzugehen.“ Sind die Gäste an Kultur, Kulinarik & Co interessiert, verderben ihnen Wetterkapriolen nicht gleich den Urlaub.

Die Touristiker haben sich längst auf Veränderungen bei Gästen und Wetter eingestellt: Die Bergbahnen verbessern Jahr für Jahr die Beschneiung, Hoteliers investieren in den Ausbau ihrer Wellnessbereiche, Ruhe- und Entspannungsräume. Dazu gibt es neue kulinarische und kulturelle Angebote.

Viele dieser Maßnahmen machen Vorarlberg immer stärker zu einem Ganzjahres-Reiseziel.

All das verlängert nicht nur die Wintersaison. Viele dieser Maßnahmen machen Vorarlberg immer stärker zu einem Ganzjahres-Reiseziel. Skiurlaub im Winter, Baden am Bodensee im Sommer, Wandern in den Bergen im Herbst. Das Land hat sich als Ziel für kurze Fluchten aus dem Alltag etabliert, dazu kommen Kultur- und Kongresstourismus.

Bekannte Festivals wie die Bregenzer Festspiele oder die Schubertiade ziehen Besucherinnen und Besucher aus der ganzen Welt an. Sie werden immer öfter ergänzt durch kleinere Festivals, oft mit viel Flair: hip wie FAQ im Bregenzerwald, erfinderisch wie das Poolbar Festival in Feldkirch oder experimentierfreudig wie der „Walser Herbst“ im Großen Walsertal.

Im Kunsthaus Bregenz wird ein international beachtetes Ausstellungsprogramm geboten. Das Festspielhaus zählt bei den Kongressen und Veranstaltungen außerhalb der Festspielsaison mittlerweile 200 000 Besucherinnen und Besucher pro Jahr. Und überall im Land kann man auf Architektur-Rundgängen über die faszinierende Baukultur Vorarlbergs staunen. „All das ist nicht entstanden, um Gäste zu bespaßen“, betont Tourismusexpertin Brigitte Plemel.

Es ist aus dem Engagement in der Region und für die Region gewachsen und kommt Einheimischen genauso zugute wie den Gästen. Diese Authentizität spüren auch die Urlauber.

Dem Gast fällt auf, wenn das Hotel mit Biomasse befeuert und der Koch nur Produkte aus der Region verarbeitet

Regionalität und Nachhaltigkeit sind den Vorarlbergern wichtig. Einstimmig haben alle Parteien im Land die Energieautonomie als gemeinsames politisches Ziel beschlossen. Auch die „Ökolandstrategie“ ist Konsens: Die Lebensmittel sollen so weit wie möglich regional und bio erzeugt werden. Im Tourismus haben sich viele Hotels und Gastronomiebetriebe zum Netzwerk „Gastgeben auf Vorarlberger Art“ zusammengetan.

„Dem Gast fällt natürlich auf, wenn sein Hotel mit Biomasse befeuert wird oder der Koch ausschließlich Produkte aus der Region verarbeitet“, ist Karl-Heinz Kaspar vom Energieinstitut Vorarlberg überzeugt, der mit seinem Team die Vorarlberger Gemeinden beim Klimaschutz berät. „Vor allem die jüngere Urlaubergeneration achtet auf so etwas. Und erzählt es weiter. Das darf man nicht unterschätzen.“

So schließt sich der Kreis: Klimaschutz und der Wandel touristischer Angebote gehen Hand in Hand. Natürlich stellt der Klimawandel Vorarlberg vor Herausforderungen, das macht er ja überall auf der Welt. Er eröffnet aber auch neue Möglichkeiten. Und Chancen, sich auf die Bedürfnisse der Gäste einzustellen. Zwischen Bregenz, Hirschegg und Partenen hat man die nicht nur bereits erkannt: Man ist längst dabei, sie zu nutzen.