C Shakespeare am Berg Aufführung (c) Darko Todorovic / Vorarlberg Tourismus GmbH
Es war das Käuzchen ...
... nicht die Nachtigall.
C Shakespeare am Berg Aufführung (c) Darko Todorovic / Vorarlberg Tourismus GmbH
... nicht die Nachtigall.
Natur-Schauspiel: Die Bühne ist hier immer nur ein Teil der Kulisse
TEXT: STEFAN NINK
Regisseur Thomas A. Welte hat mit dem Projekt „Shakespeare am Berg“ das Theater ganz nach oben gebracht – in die Naturarena Muttersberg. Ein Heim(at)spiel, bei dem hin und wieder auch die Natur für Spezialeffekte zuständig ist.
Und dann wird es düster. Und dann wächst hinter ihnen diese dunkle Wolkenwand zwischen den Bergen hervor, aber Thomas A. Welte sieht nur kurz hin und ist dann schon wieder ganz bei der Bühne, wo Romeo und Julia gerade zueinander finden. „Zieht nicht zu uns herüber“, murmelt er nur. Dann dreht er trotzdem nochmals den Kopf, als wolle er sich vergewissern, dass die plötzliche Änderung in Luft und Licht tatsächlich etwas mit der Schlechtwetterfront hinter den Gipfeln zu tun hat. Wenn man genau hinschaut, sieht man ihn zufrieden lächeln.
„Shakespeare am Berg“ geht jetzt in sein drittes Jahr, und wenn man eines von den Inszenierungen der letzten beiden Jahre sagen kann, dann das hier: Keine Aufführung war wie die am Abend zuvor. Sowieso ist im Theater ja jede Aufführung ein anderes Stück, auch wenn das gleiche Stück wie am Vortag gegeben wird.
In der Bergarena Muttersberg hoch über Bludenz aber kommt mit der Natur Vorarlbergs noch eine zusätzliche Dimension hinzu: ein feuriges Abendrot vielleicht und das Rufen eines Käuzchens im Wald hinter der Bühne, aber möglicherweise auch die Wolken und der Wind und der Regen, und wie sie die Dinge verändern. Ganz bewusst beginnen die Vorstellungen erst später am Abend, wenn sich das Verhältnis von Dämmerung und Bühnenlicht im Minutentakt verschiebt. Es ist ein wenig so, als nutze man die Spezialeffekte der Natur.
Jedes Jahr ein Shakespeare –
da geht der Stoff nicht so schnell aus
Thomas A. Welte hat das natürlich alles eingeplant. Der Regisseur ist in Vorarlberg geboren und hier aufgewachsen, und den Gedanken, Theater in den Bergen seiner Heimat zu inszenieren, hatte er schon länger. „Und ich wusste immer: Wenn man so etwas angeht, dann muss man es mit Stücken eines Autors tun, den viele kennen.“ So ist er auf Shakespeare gekommen, von dem er sagt: Das war einer, der damals Theater für alle gemacht hat. Der Geschichten erzählte, die jeden berührten.
Mord und Totschlag, Verrat und Treue,
das ist so aktuell wie eh und je,
und die Liebe auf den ersten Blick sowieso
Was Shakespeare heute kompliziert erscheinen lässt, sind ja nicht die Inhalte – Mord und Totschlag, Verrat und Treue, das alles ist so aktuell wie eh und je, und die Liebe auf den ersten Blick und gegen alle Widerstände sowieso. „Schwierig ist Shakespeare doch vor allem durch die kantige Sprache des elisabethanischen Zeitalters. Die steht halt oft wie eine Barriere vor dem Inhalt.“
Deswegen passt Welte die Shakespeare-Stoffe sprachlich an und modernisiert sie. Jedes Mal sei das eine Gratwanderung, sagt er, weil er natürlich auch die Schönheit des Originals nicht zerstören wolle. Und Benjamin Obholzer – mit Welte zusammen Erfinder von „Shakespeare am Berg“ – schafft mit seiner Bühne zusätzliche Orientierungshilfe: Die einzelnen Quadrate des mit Stoffen verhüllten Gerüstbaus lenken die Blicke der Zuschauer.
Das Publikum fährt mit der Gondel
zum Theater hinauf
Die Truppe ist klein, das Ensemble besteht nur aus fünf Schauspielern, die als unterschiedliche Figuren auftreten; bis auf Michaela Spänle, die die Julia spielt, wechseln alle permanent Rollen und Kostüme. Sie machen das so geschickt, dass viele Zuschauer erst beim Schlussapplaus bemerken, dass sie in den letzten zweieinhalb Stunden lediglich einer Handvoll Personen zugesehen haben. Für das Publikum ist „Shakespeare am Berg“ sowieso ganz großes Theater. Es wird mit der Gondel nach oben gebracht und spaziert dann ein paar hundert Meter hinüber zur Bühne unter dem offenen Vorarlberger Himmel. Nur die VIP-Lounges sind überdacht; die Stühle stehen in zur Seite offenen Stahlcontainern. Auf allen anderen Plätzen kann man vor Vorführungsbeginn zusehen, wie die Wolken über den Himmel ziehen und der Wind mit den Tannen hinter der Bühne spielt.
Das Publikum kann zusehen, wie die Wolken über
den Himmel ziehen, wie der Wind mit den Tannen spielt
Alles Liebe? Das Drama um Romeo und Julia, in die Berge versetzt
„Shakespeare am Berg“ hat 2015 mit „Macbeth“ begonnen, wurde im nächsten Jahr mit „Romeo und Julia“ fortgeführt, und 2018 nun steht „Sommernachtstraum“ auf dem Spielplan. Und dann? Wollen sich Welte und Obholzer das nächste Shakespeare-Stück vornehmen. Der Mann hat ja einiges geschrieben. Selbst wenn sie jedes Jahr ein anderes Schauspiel auf den Berg bringen, werden ihnen die Stücke erst in mehr als drei Jahrzehnten ausgehen.